Impressionen vom Mekong

Die Faszination der Tempel

Vom Besuch im Heiligtum Kambodschas, dem Ziel vieler Touristen weltweit

Reisen auf Flüssen liegt seit Jahren im Trend. Dazu gehört auch der Mekong mit seinen 4.200 Kilometern der 12. längste Fluss der Erde (Zum Vergleich: der längste europäische Fluss ist die Wolga und 500 Kilometer kürzer). Der Mekong entspringt den Schneemassen im Tanghla Gebirge in Tibet und fließt mit seinen riesigen Wassermassen durch China, wird zum Grenzfluss zwischen Myanmar (Birma) und Laos, zieht ebenfalls eine Grenze zwischen Thailand und Laos, erreicht Kambodscha und das riesige Delta in Südvietnam, um in das südvietnamesische Meer zu münden.


Das Phänomen des Tonle-Sap-Flusses

Die allermeisten Schiffs-Touren beginnen und enden auf dem größten See Südostasiens, dem See Tonle Sap in Kambodscha. Hier beginnt im Juni seit Menschen gedenken ein einzigartiges Naturphänomen. Durch Monsunregen und Schmelzwasser drängt das Wasser des Mekong in den Tonle-Sap-Fluss und zwingt ihn, seine Richtung zu ändern und die Wassermassen drängen zurück in das Becken des Sees, lassen ihn auf das Sechsfache anwachsen und über die Ufer treten.



Erst im November, übrigens zu einer günstigen Reisezeit auf dem Schiff, wechselt der Fluss erneut die Richtung und die Wassermengen des Flusses fließen wieder ab. Dann beginnen die Fischer ihre Saison und die Kambodschaner feiern ein Wasserfest. In diesem Jahr 2010 wurde das Fest in Phnom Penh durch einen schrecklichen Unfall überschattet. Auf einer schmalen Brücke starben in einer Massenpanik 380 Menschen. Noch Tage später schwammen in den Flussarmen nach den Trauerzeremonien Kerzen und Blumen auf dem Wasser.



Die berühmten fünf Türme von Angkor Wat


Nahe dem riesigen See und der Stadt Siem Riep liegt ein magischer Anziehungspunkt für die meisten Touristen aus aller Welt – die weltberühmte Tempelanlage Angkor Wat. Der Nationalstolz von Kambodscha ist nicht zufällig auf der Nationalflagge verewigt. In den letzten Jahrzehnten spiegelten sich Kriege und nachfolgende neue Herrscher im Land auch auf dem Fahnentuch wider. Doch die Abbildung von Angkor Wat auf der Flagge überstand alle diese politischen Stürme und blieb unberührt. Insgesamt sind die Tempelstätten von Angkor auf der riesigen Fläche von mehr als 300 Quadratkilometern verstreut. Die bekannteste von ihnen wurde 1992 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen und liegt nahe von Siem Reap und dem See Tonle Sap – Angkor Wat unverkennbar mit seinen fünf Türmen. Erst mit dem umfassenden Frieden in Kambodscha im Jahr 1998 kam der Tourismus richtig in Schwung. Die Stadt Siem Riep mit 140.000 Einwohnern erscheint tagsüber ruhig und fast ländlich, da alle Gäste in Tempelanlagen unterwegs sind. Die Stadt hat einen eigenen Flughafen und hält derzeit insgesamt einhundert Hotels für die Gäste von Angkor bereit.


Mautstelle für Khmer-Architektur

Jeder Weg zu den architektonischen Denkmälern der Khmer führt über eine Mautstelle. Hier wird in sehr effektiver und moderner Form abkassiert. Eine für drei Tage gültige Eintrittskarte kostet 40 Dollar, für eine Woche muss der Besucher 60 Dollar zahlen. Außerdem ist ein Passbild nötig, dass vor Ort gemacht wird. Weiterhin erhält jeder eine Übersichtskarte in die Hand gedrückt, die etwas Trost spendet. Hier stehen hunderte von Tempeln, auf die sich die Flut der mit Kameras bestückten Touristengruppen ergießen und verteilen kann. Doch die meisten der 1,8 Millionen Gäste pro Jahr drängen sich in Angkor Wat. Über eine lange Sandsteinbrücke führt der Weg durch Tore, über einen Platz und wieder Treppen in das Innere des Tempels. Der Weg wird gesäumt von unzähligen Relief-Figuren an den Wänden, Krieger, Tiere und immer wieder tausende Apsaras, die göttlichen Tänzerinnen. In Stein gemeißelte Buddhas und der Hindugott Vishna sind überall gegenwärtig und stehen Spalier. Mit ein bisschen Glück ist die Warteschlange vor dem zentralen Turm nicht zu lang. Jeder will hier auf einer sehr steilen Steintreppe auf die höchste Plattform in 65 Meter Höhe klettern. Beim Blick von dem größten Steintempel auf die Anlage steht man ehrfürchtig und stumm. Vor mehr als 1200 Jahren wurde dieser Tempel für die Götter und Buddha errichtet, den nachfolgende Könige der Khmer mit neuen Tempeln ständig erweiterten. Es entstand das Land der tausend Tempel.


Die fotogenste Ruine in Ta Prohm

Bei der Entdeckung zahlreicher Khmer-Baudenkmäler in Indochina durch die Kolonialmacht Frankreich im 19. Jahrhundert hatte man noch nicht Fotoziele der Touristen im Auge. Doch mit der Entscheidung, den wuchernden Dschungel in den Ruinen des buddhistischen Klosters Ta Prohm nicht zu entfernen, schuf man damals ungewollt die wohl fotogenste klassische Ruine aller Zeiten. In einem Wirrwarr von Steinblöcken, höhlenartigen Bauten, Terrassen und eingestürzten Mauern wachsen riesige Kapokbäume mit weit verzweigtem Wurzelgeflecht. Die gigantischen Baumriesen in diesem Tempellabyrinth, in dem einmal 12.000 Menschen lebten und arbeiteten, stehen als Synonym für Vergänglichkeit. Wenige Kilometer von Angkor Wat, dem Ort der Anbetung entfernt, liegt die letzte Hauptstadt des Khmer-Reiches - Angkor-Thom. In ihrer Blütezeit vor 700 Jahren sollen hier eine Million Menschen gelebt haben. Vermutlich Wassermangel und Krankheiten führten dazu, die Hauptstadt nach Phnom Penh zu verlegen. Im Zentrum der verlassenen Stadt steht der Tempel Bayon. Dutzende Türme sind noch erhalten. Charakteristisch sind jeweils die in Stein gemeißelten überdimensionalen vier Gesichter, die in verschiedene Richtungen schauen.




Minenopfer spielen für Touristen


Wen in Angkor die Tempelmüdigkeit erfasst, sollte zumindest noch Banteay Srei besuchen, auch als die Zitadelle der Frauen bezeichnet. Die vergleichsweise kleine Tempelanlage aus Sandstein liegt 30 Kilometer nördlich von Siem Riep entfernt. Dieses Heiligtum ist der Hindu-Gottheit Shiva geweiht und durch die wundervolle Steinmetzarbeit mit bezaubernden Verzierungen ausgestattet. Viele der besten Original-Skulpturen wurden in der Kolonialzeit von den Franzosen abgeräumt und sind heute im Pariser Museum für asiatische Kunst zu sehen. Erreicht der Besucher den Ausgang der Anlage, hört er kambodschanische Volksmusik. Eine Gruppe von neun Musikern sitzt an einem Baum und spielt mit traditionellen Instrumenten wie Handtrommeln, einem Xylophon, Bambusflöten und der Khään, einer Art Mundharmonika quirlige Musikkaskaden. Tritt der Besucher näher heran, schaut er in traurige Gesichter. Einigen Männern fehlt ein Fuß, ein Musiker hat keine Arme mehr und einer hat sein Augenlicht verloren. Sie sind Minenopfer und bitten um eine kleine Spende. Sie bringen schlagartig Bürgerkrieg und Terror der letzten Jahrzehnte ins Bewusstsein der Touristen.


Text und Fotos: Ronald Keusch, Dezember 2010

Anmerkung:
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