Die grüne Insel Hainan
Viele Chinesen verbringen auf der tropischen Insel Hainan, der kleinsten Provinz Chinas, den Winter. Von der Fläche nur etwas kleiner als Taiwan, ist Hainan mit acht Millionen Einwohnern, einem Drittel der Bevölkerungszahl von Taiwan, nicht so dicht besiedelt.
Die Hauptsaison für den Tourismus liegt in den Monaten November bis März bei moderaten Temperaturen der Luft von 20 bis 25 Grad Celsius und des Wassers von 22 Grad Celsius. Im Juli ist es dagegen mit über 30 Grad Celsius sehr heiß. Hier ist der südlichste Zipfel Chinas, der von manchen Tourismus-Veranstaltern auch als das „Hawai des Ostens“ angepriesen wird. Palmen aller Orts bebildern diesen Anspruch. Keine schlechten Voraussetzungen für den internationalen Tourismus.
Resort mit Pool-Anlage und Palmen
Von den beiden Städten Haikou und Sanja jeweils im äußersten Nordosten und Südwesten der Insel gelangt der Besucher in einer knappen Autostunde zu den schönsten Buchten und Stränden der Insel mit einer ganzen Reihe neu gebauter Hotels. Die meisten dieser Anlagen sind üppig mit tropischen Pflanzen ausgestattet und besitzen architektonisch schön gestaltete Pool-Bereiche, wie auch das Aegean Conifer Suites Resort Sanya, in dem ich untergebracht bin. Eine Besonderheit dieses Hotels in den Tropen ist auf dem Balkon zu finden. Hier ist in einer Ecke hinter einer Bambus-Jalousie eine breit geschwungene Badewanne eingebaut.
Nachdem in der Nacht ein heftiger Monsun-Regen herunter stürzte und im Hotel einige offene Gänge unter Wasser setzte, scheint am Morgen wieder friedlich und heiß die Sonne, bei der es schon gegen 8.30 Uhr geraten ist, im Schatten zu frühstücken.
Eine Begebenheit im Frühstücksraum. An einem Tisch liegen mehrere etwas dunkle, sehr weich gebackene Brote und ein Brotmesser, um sich davon Scheiben abzuschneiden. Beim Frühstück sind auch kleinere Kinder unterwegs. Manche bleiben erstaunt am Tisch stehen und beobachten interessiert, wie ich Langnase Brotscheiben abschneide. Bisher habe ich beim Frühstück auch keinen Chinesen beim Brot schneiden entdeckt.
Regenschirme gegen Sonnenglut
Regenschirme an der Küste kenne ich von daheim nur bei Regenwetter. Selbst unmittelbar am Strand sind sie in Deutschland nicht außergewöhnlich - bei Regenwetter. Hier werden Regen-Schirme aller Farben in der Sonnenglut aufgespannt. Teilweise begleiten Mütter ihre nackten kleineren Kinder bis ins kniehohe Wasser - mit dem Regenschirm in der Hand.
Ein merkwürdiger Anblick ist für mich die große Menge von chinesischen Erwachsenen im gelben Meer, die sich im mit kleinen Bojen abgrenzten Bereich für Nichtschwimmer drängen. Einige von ihnen tragen zusätzlich große bunte Schwimmringe. Dagegen ist der abgegrenzte Bereich für Schwimmer fast leer. Die Klärung dieses Phänomens ist simpel. Die allermeisten Chinesen können nicht schwimmen und ausländische Gäste sind derzeit noch rar.
„Ein Kind Politik“ in China
Mindestens jeder dritte chinesische Hotelgast ist mit drei Generationen angereist. Das Ehepaar mit einem oder seltener mit zwei Kindern hat vielfach auch Oma und Opa mit dabei. An dieser Stelle einige wenige Bemerkungen zur „Ein Kind Politik“ in China, die von der Reiseleiterin Chen Yi, aus Shanghai stammen. Sie hat ein Kind und kann sich ein zweites Kind nicht leisten, weil das eine Reihe von Restriktionen vom Staat nach sich zieht. Zunächst müsste sie eine Strafe von zwei Monatsgehältern zahlen. Außerdem erhält das zweite Kind weniger staatliche Unterstützung beispielsweise bei Versicherungen und anderen Leistungen.
Natürlich gibt es auch jede Menge Ausnahmen und Sonderregelungen. Mehrgeburten wie Zwillinge sind davon nicht betroffen. Ist das erste Kind behindert, gilt die Regelung auch nicht. Die Eltern können auch eine Sonderregelung beantragen, müssen dann aber dutzende bürokratische Hürden überwinden (Chen Yi : „Sie brauchen 60 bis 80 Stempel“). Einige chinesische Paare ziehen nach Hongkong, denn hier ist es einfacher und günstiger, ein zweites Kind zu bekommen. Manche emigrieren in die USA, was für einige wenige Paare auch möglich ist.
In den Städten ist die „Ein Kind Politik“ besser zu kontrollieren und durchzusetzen. Auf dem flachen Land gibt es bei den Bauern Widerstand, wenn als erstes Kind kein Sohn geboren wird. Die Regierung hat daraufhin die Propaganda auf dem Lande verstärkt unter anderem mit solchen Losungen wie „Mit nur einem Kind kann der Bauer mehr Schweine züchten und wird schneller reich.“
Die Zwangs-Abtreibung einer Frau im siebenten Monat in der Provinz Shaanxi im Juli 2012 hat die in China schon seit längerem laufende Diskussion zur Familienplanung auch in den Medien erneut angefeuert(1). Die Verantwortlichen in der Provinz für diese Abtreibung wurden vor Gericht gestellt, aber vor dem Gericht stehen eigentlich viele staatliche Maßnahmen der „Ein-Kind-Politik“. Noch in der Mao-Zeit vor 40 Jahren gab es keine Beschränkungen, sondern eher Ermunterungen, sich viele Kinder anzuschaffen. Damals hatte im Durchschnitt jede Familie sechs bis zehn Kinder.
Reich gleich kinderreich
Im Hotelpool toben ausgelassen drei chinesische Jungen im Alter von sieben bis zehn Jahren und sprechen die deutsche Sprache mit Berliner Dialekt. Sie gehören zu einer Familie aus Berlin-Lichterfelde mit einer chinesischen Mutter und einem deutschen Vater. Sie machen hier schon seit Jahren Urlaub, um anschließend die Familie der Frau im Norden Chinas zu besuchen. Wenn die Familie in Hainan oder in anderen Landesteilen Chinas unterwegs ist, werden sie überall sofort als eine sehr reiche Familie eingestuft. Der unwiderlegbare Beweis sind ihre drei Kinder.
Ausflug in den Urwald
Die Insel Hainan hat für den Touristen nicht nur Kilometer lange Strände mit weißem weichen Sand und das sehr saubere Wasser vom gelben Meer zu bieten, sondern große Urwald-Gebiete der Tropen. Der Yanoda ist einer von insgesamt fünf Regenwäldern auf der Insel und liegt 35 Kilometer von Sanya City entfernt. Hier wurde vor vier Jahren ein Naturpark eröffnet, ein Dutzende Quadratkilometer großes Gebiet.
Schon beim Aussteigen aus dem Auto empfängt mich eine leicht süßliche, angenehm riechende Luft. Dieser angenehme Blütenduft wird mich auch im Naturpark begleiten.
In dem Regenwald sind die kürzeren wie längeren Rundwanderwege aus Holz gebaut, auf denen sich bequem wandern lässt. Ein großer Teil Parkes liegt auf einem bewaldeten Bergzug. Den ersten Anstieg kann der Besucher mit einem Bus auf einer Straße mit Haarnadelkurven zurücklegen. Der weitere Anstieg auf den Berg ist auf hölzernen Treppenstufen zu erklimmen.
Auf dem Weg nach oben passieren die Besucher eine Vielzahl von tropischen Bäumen und Gewächsen. Dazu gehören wuchtige Bananenbäume ohne Früchte, der Bambole-Baum mit besonderer Rinde, eine See-Kartoffel, überall schlanke Stämme von über 20 Meter hohen Gummibäumen und nicht zu vergessen alle paar Meter ein riesiger Ficus, der auch bei vielen in Deutschland im Wohnzimmer steht. Ich fotografiere Farne, die bereits seit 150 Millionen Jahren auf der Erde wachsen und eine Zuckerpalme mit Kinderfaust großen schwarzen Früchten, aus denen Zucker gewonnen wird, der sehr gesund sein soll. Um zu den Wasserfällen zu gelangen, muss ich viele Treppenstufen steigen und schwitzen. Mein Hemd ist so nass als ob ich es gerade aus der vollen Badewanne gezogen habe.
Heiter grüßt die Buddha-Figur
Ein weiteres Ziel für Touristen ist die insgesamt 108 Meter hohe Buddha-Statue in Nanshan in einem 50 Quadratkilometer großen Park unmittelbar am Meer. Im Jahr 2001 wurde mit dem Bau begonnen und im April 2005 die Buddha-Statue feierlich eingeweiht.
Vom Tor zum Park, das noch aus der Han-Dynastie stammt, ist die Figur noch nicht zu sehen. Der Park, der auch einen botanischen Garten besitzt, ist in erster Linie ein Wallfahrtsort für chinesische Buddhisten, doch auch die Touristen sind herzlich willkommen. Die meisten Chinesen glauben, so heißt es, nur in Teilen an die Lehre des Buddhismus und besonders dann, wenn es in ihre konkrete Lebenssituation gerade passt. Die Chinesen wenden sich mal an diese, mal an jene Gottheit, ohne fest an eine Religion gebunden zu sein. Es hat in China eine lange Tradition, sich wechselweise bei Feiern oder Zeremonien oder der Ahnenverehrung dem Buddhismus, Daoismus und Konfuzionismus zuzuwenden.
Mit einem kleinen Elektrowagenzug auf Rädern kann der Besucher die einzelnen Stationen auf dem Gelände abfahren. Der Park kostet Eintritt und natürlich auch die Beförderung. Beim Rundgang treffe ich wieder auf so genannte Glücksbäume, an denen die Besucher ihre Wünsche nach Geld und Gesundheit in schmalen roten Papierstreifen an die Äste hängen. An einem Verkaufsstand können die roten Streifen für zehn Yuan erworben und mit dem Wunsch beschriftet werden. Auf dem Gelände erhebt sich eine Pagode mit sechs Stockwerken, deren prachtvoller Innenausbau 2014 beendet sein soll.
Schließlich erreiche ich die 108 Meter hohe Buddha-Statue, die eigentlich drei Figuren in einer vereint. Nach vorn hält eine Buddha-Figur ein Buch in der Hand, Ausdruck der Klugheit. Zwei Figuren jeweils links und rechts, die von vorn nicht zu sehen sind, tragen eine Lotus-Blume, Symbol für Frieden und eine Perlenkette, Ausdruck für Barmherzigkeit. Das Material der Figur ist nicht aus Stein, wie vielleicht zu vermuten, sondern aus einer Metall-Legierung, die auch im Flugzeugbau zur Anwendung kommt.
Um am Fuß der Figur in eine geschmückte Tempel-Halle und dann noch ein paar Dutzend Meter höher zu einer Aussichts-Plattform zu gelangen, muss wiederum ein Eintritt von 50 Yuan gezahlt werden. Als Anhänger des Buddhismus gilt es, immer die Geldbörse mitzubringen. Den größten Anteil der Kosten dieses Buddha-Parks zahlte der chinesische Staat. Das mit Buddhismus Geschäfte zu machen sind, beweist ein mitten im Park neu gebautes Luxus-Hotel mit 320 Zimmern und 600 Betten.
Auf dem Weg zum weltweiten Urlaubsziel
Die grüne Insel Hainan ist auf dem besten Weg, eine Urlaubsinsel für den internationalen Tourismus zu werden. Hier sind keine Besuche von Museum über chinesische Kaiser einzuplanen, sondern Strandurlaub mit wunderbarem weißen Sand im tropischen Klima.
Es gibt auch eine zweispurige Autobahn, die gut in Schuss ist. Ein Problem für ausländische Touristen besteht allerdings darin, dass sie auf der Insel wie übrigens in ganz China kein Auto mieten können. Ihre internationalen Führerscheine werden nicht anerkannt. Der Besucher kann dafür jederzeit sein Mietauto mit Fahrer preiswert buchen, ein Taxi ist ähnlich günstig.
Interessant können für die Touristen auch so genannte „Bearbeitungs-Restaurants“ werden. Der Besucher kauft im nahen Fischmarkt seinen Fisch und geht damit zum Koch des Restaurants und lässt sich seinen ausgewählten Fisch nach seinem Geschmack zubereiten. Angeblich ist dazu nicht einmal die chinesische Sprache nötig. Zum Braten des Fischs reicht der Fingerzeig auf eine Pfanne in der Küche.
Auf der Insel befindet sich in der Nähe Pearl River SPA Springs ein Gesundheits-Service der besonderen Art. Hier können sich die Urlauber einer Fisch-Massage unterziehen. Die Fische, die von der Haut des Menschen kleinste Partikel abfressen, sind zwei bis drei Zentimeter groß und leben nur in heißem Quellwasser. An insgesamt 30 Wasser-Plätzen mit verschiedenen Salzen und Erden erfolgen die Massagen. Auch auf den Golf-Tourismus ist die Insel schon vorbereitet. Es gibt insgesamt 30 Golfplätze.
Wann laufen Chinas Uhren wieder weniger schnell?
Wie ein Menetekel für ganz China erscheint eine Entscheidung der chinesischen Eisenbahnverwaltung. Sie hatte vor einiger Zeit veranlasst, dass die Spitzengeschwindigkeit der Zugverbindung zwischen den 400 Kilometer voneinander entfernten Millionen-Städten Haikon und Sanja reduziert wird. Statt bisher 250 wird jetzt auf den Schienen von Hainan „nur“ noch 200 Stundenkilometer schnell gefahren. Der Grund dafür war ein Eisenbahnunglück auf dem chinesischen Festland.
Chinas Uhren scheinen seit zwei Jahrzehnten schneller zu laufen. Um große Katastrophen zu vermeiden, sollten sie mittlerweile auch von Zeit zu Zeit verlangsamt werden.
(1)"Time to abort policy ?" - "Experts gather in Beijing to call for changes to family planning"; Nation Global Times 27. Juni 2012 englisch sprachige Tageszeitung, komplette Seite 6
Text und Fotos: Ronald Keusch, Juli 2012