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Lutherdekade: Themenjahr
Franckesche Stiftungen in Halle (Saale) sind bis heute lebendiger Ort der Toleranz
Die Halbzeit in der Lutherdekade ist erreicht. Nach dem Themenjahr „Reformation und Musik“ hat am Reformationstag 2012 das neue Themenjahr „Reformation und Toleranz“ begonnen.
Es wird ein eher besonders nachdenkliches werden. Heldengeschichten sind dabei kaum zu erzählen. Die Reformation ist nicht als das goldene Zeitalter der Toleranz bekannt. Die Evangelische Kirche räumt ein, dass intolerante Haltungen einzugestehen seien, die letztlich erst durch die Aufklärung überwunden wurden. Diese entnahm wichtige Impulse aus den reformatorischen Grundeinsichten.
In Sachsen-Anhalt finden sich Beispiele für den Umgang mit neuen Gedanken und mit dem Bemühen, Toleranz auszuüben. Zentraler Beitrag des Landes zum Themenjahr ist das Jubiläumsprogramm in den Franckeschen Stiftungen zu Halle. Mit ihm soll an den 350. Geburtstag von August Hermann Francke (1663-1727) und seiner Vision von einer „Weltverwandlung durch Menschenverwandlung“ erinnert werden.
Auf rund 16 Hektar finden sich auf dem Gelände der Stiftungen annähernd 50 Häuser, die drei Jahrhunderte Schulbaugeschichte erlebbar machen. Die Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Das Ensemble bietet Zeit zum Entdecken, öffnet sich an vielen Orten für seine Gäste. Das längste Fachwerkhaus Europas mit 110 Metern Länge und fünf Stockwerken gehört dazu. Die vor über 20 Jahren mehr als desolaten Stiftungsgebäude sind nach aufwändigen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten gerettet. Mehr als 130 Millionen Euro werden bis Ende 2013 in das Projekt geflossen sein.
Fast 200 Jahre nach der Reformation setzte im damaligen Glaucha vor den Toren der Saalestadt ein Pfarrer seine Visionen um. August Hermann Francke begann 1702 ein beispielhaftes Reformvorhaben. Mit seinem Namen ist der Pietismus untrennbar verbunden. Nach der Reformation gilt er als die wichtigste Reformbewegung und versteht sich als eine Rückbesinnung auf zentrale Anliegen der Reformation. Seine Schulstadt hat bis heute ihre Funktion bewahrt. Vier Schulen und mehrere Kindertagesstätten finden sich auf dem Gelände. Die Martin-Luther-Universität nutzt mit ihrer theologischen Fakultät und dem Fachbereich Erziehungswissenschaften einige Häuser.
Das historische Waisenhaus steht wie ein Palast am Eingang zum historischen Gelände. Ausstellungen zu den Stiftungen haben dort ihren Platz erhalten. Ein besonderes Glanzlicht ist die barocke Kunst- und Naturalienkammer. Sie war 1698 angelegt worden und steht im Ruf, das einzige komplett erhaltene Kuriositätenkabinett Europas zu sein. Ein Teil der Sammlungsschränke zeigt sich mit prachtvollen Malereien verziert. Schmetterlinge, Tiger und andere Motive ziehen die Blicke der Besucher regelrecht an. Mit Stroh ausgestopft gehört ein Nilkrokodil zu den mehr als 3.000 Artefakten aus aller Welt. Feuerfeste Perücken, Ölgemälde, seltene Steine und Globen gehören ebenso dazu wie ein filigran verziertes Straußenei und wertvolle Muscheln, die an ihrem Herkunftsort als Zahlungsmittel dienten. Über eine hölzerne Stiege neben der Kammer erklimmt der Besucher die Aussichtsplattform des Waisenhauses. Sie bietet einen Rundumblick auf die Stiftungen und die Stadt Halle.
Bücher spielten in den Stiftungen immer eine hervorgehobene Rolle. Francke hatte Carl Hildebrandt Freiherr von Canstein (1667-1719) nach Halle geholt, wo dieser die erste Bibelanstalt der Welt gründete. Die Heilige Schrift ging, in rund 230 Sprachen übersetzt, von dort aus in ungezählte Länder der Erde. Missionare, die von Halle aus in Indien die erste protestantische Mission errichteten, sorgten beispielsweise für deren Verbreitung. Und der Pfarrer war selbst ein Sammler von Gedrucktem. In seine 1698 gegründete Bibliothek kamen in den ersten 25 Jahren rund 18.000 Bände auch durch Schenkungen und Nachlässe. Das eigene Bibliotheksgebäude lohnt den Besuch (im Bild links). Nach wie vor liegt der historische Bestand in einem barocken Kulissenmagazin.
2013 feiern die Stiftungen mit einem umfangreichen Jubiläumsprogramm den 350. Geburtstag ihres Gründers. Zu den Vorhaben gehört die Jahresausstellung „Die Welt verändern. August Hermann Francke - ein Lebenswerk um 1700“ zwischen dem 23. März und dem 21. Juli. (www.francke-halle.de)
Die dunklen Schatten der Intoleranz, denen im Themenjahr auch Aufmerksamkeit geschenkt wird, finden sich beispielsweise in der Lutherstadt Wittenberg. Am Südostpfeiler der Stadtkirche findet sich eine „Judensau“. Mit dem Sandsteinrelief wurde im Mittelalter das Bild des Juden immer stärker dämonisiert. In Deutschland gibt es etwa 25 solcher Spottskulpturen. 50 Jahre nach dem Beginn der systematischen Verfolgung der Juden in Deutschland wurde in Wittenberg mit einer Gedenktafel unter der Figur an ihr Schicksal erinnert. Die Inschrift der Tafel, die auch hebräische Buchstaben enthält,
lautet: „Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, starb in sechs Millionen Juden unter einem Kreuzeszeichen.“ (www.wittenberg.de)
Weitere Reisetipps für die reformationsgeschichtliche Spurensuche in Sachsen-Anhalt hat die Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH (IMG) in der Broschüre „Luther erleben“ sowie im Internet unter www.luther-erleben.de zusammengestellt. Informationen zum Themenjahr „Reformation und Toleranz“ finden sich zudem im Faltblatt „Reformation und Toleranz – Höhepunkte in Sachsen-Anhalt“. Die Publikationen können bestellt werden über das Sachsen-Anhalt-Infotelefon 0391-56283-820.
Text: Klaus-Peter Voigt, Dezember 2012
Fotos: Reinhard Hentze, Schütze/Rodemann
Bildeigner: Franckesche Stiftungen zu Halle, LAB (Därr)
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